Ärztliches Gutachten vs. MPU

Grundsätzlich gilt:

  1. Gemäß der Anlage 4 Vorbemerk Nr. 2 FeV gilt: 
    Die Grundlage zur Fahreignungstestung besteht im ärztlichen Gutachten (mit computerbezogenen Leistungstest).
  2. Gemäß §11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FeV gilt: 
    Erst nach Würdigung des ärztlichen Gutachters wird eine medizinisch-psychologische Untersuchung erforderlich. 

Tipp: NUR In besonderen Fällen gemäß §11 Abs. 3 FeV (siehe unten in der Tabelle) kann eine MPU angewiesen werden. Liegt ein solcher besonderer Fall NICHT VOR, gilt es, den Weg des Regelfalles, also die Anordnung eines ärztlichen Gutachtens, zu beschreiten. 

Da bei vielen Cannabispatienten KEIN besonderer Fall vorliegt, ist eine MPU-Anordnung unangemessen und sollte bestritten werden! 

Trotz Bestehen eines solchen Regelfalles stellt sich die Führerscheinstelle bzw. deren Sachbearbeiter quer und verlangt trotz Belehrung und ohne hinreichender Begründung weiterhin eine hochaufwendige MPU.
Das ist im Vergleich mit anderen Arznei-Dauerpatienten unverhältnismäßig! Eine Gleichbehandlung muss hier her! 

§ 24a Abs. 2 Satz 3 StVG: 

Grundsätzlich ist das Führen von Kraftfahrzeugen keine Ordnungswidrigkeit, „…wenn die Substanz aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt.“
Also ist das Fahren unter Dauermedikation erlaubt, wenn die Eignungszweifel ausgeräumt werden können. 

Alle Eignungszweifel müssen der Führerscheinstelle gegenüber ausgeschlossen werden – unabhngig von einer Verkehrskontrolle! Dies ist möglich durch das Absolvieren eines ärztlichen Gutachtens.

Dringender Hinweis: Eignungszweifel kann schon dann bestehen, wenn nach einer polizeilichen Verkehrskontrolle die Einnahme von Cannabis auffällt UND bis dato KEIN ärztliches Gutachten der Führerscheinstelle vorliegt!
Der Ausweg von einem solchen Verdacht ist nur durch hinreichende Begründung möglich.

Woraus besteht ein ärztliches Gutachten

  • Hier werden zwei zur Fahreignung grundlegende Fragen geklärt: 
    1. Leistungsbeeinträchtigungs-Ausschluss
      Kann eine Leistungsbeeinträchtigung ausgeschlossen werden?
      Anlage 4 Vorbemerk Nr. 1 FeV: 
    2. Bescheinigung des Kompensationsvermögens
      Verfügt der Betroffene über ausreichendes Kompensationsvermögen?
      Anlage 4 Vorbemerk Nr. 3 FeV: „Kompensationen durch besondere menschliche Veranlagung, durch Gewöhnung, durch besondere Einstellung oder durch besondere Verhaltenssteuerungen und -umstellungen sind möglich.“

Woraus besteht eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU)?

  • Selbe zwei Fragen, wie beim ärztlichen Gutachten, mit einer Zusatzfrage, welche sich individuell von Fall zu Fall unterscheidet. 
    Im Regelfall gilt es hier, sich mit der Vergangenheitsgeschichte intensiv auseinanderzusetzen UND einen LEBENSWANDEL vorweisen zu können, damit eine positive Prognose ermöglicht werden kann. 

Anlage 4a FeV:

  1. Untersuchung ist anlassbezogen
  2. Gegenstand der Untersuchung sind nicht die gesamte Persönlichkeit des Betroffenen, sondern nur solche Eigenschaften, Fähigkeiten und Verhaltensweisen, die für die Kraftfahreignung von Bedeutung sind (Relevanz zur Kraftfahreignung).

Zum Auswahlspielraum der notwendigen Begutachtungs-Maßnahme dient folgende Übersicht:

TatbestandParagraphÄrztliches GutachtenMPU
Ordnungswidrigkeit Cannabisfahrt (unabhängig von Wirkung)§24a StVG x0
Tatsachen bekannt, welche körperliche oder geistige Zweifel an der Fahreignung begründen§11 Abs. 2 Satz 1 FeVxo
Bedenken insbesondere dann, wenn Anlage 4 oder 5 zutreffen§11 Abs. 2 Satz 2 FeVx0
Missbräuchliche Vorgeschichte§14 Abs. 1 Satz 2 FeVx0
…erst NACH Würdigung des ärztlichen Gutachtens§11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FeV0x
Bei erheblichem Verstoß und bei wiederholten Verstößen gegen Verkehrsvorschriften§11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 FeV0x
Bei erheblicher Straftaten im Zshg. mit dem Straßenverkehr§11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 FeV0x
–       Mit Teilnahme am StV§11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 FeV0x
–       Mit Aggressionspotenzial§11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 FeV0x
Bei Neuerteilung, wenn§11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 9 FeV  
–       Die Fahrerlaubnis wiederholt entzogen worden war 0x
der Entzug der Fahrerlaubnis auf einem Grund nach den Nummern 4 bis 7 beruhte
(erheblicher oder wiederholter Verstoß, Straftat im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr, Straftat im Zusammenhang mit hohem Aggressionspotenzial)
 0x
Zur Klärung von Eignungszweifeln im Hinblick auf BtM und Arzneimitteln, wenn§14 Abs. 1 Satz 1 FeVX
–       BtM-Abhängigkeit vorliegt§14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FeVX0
–       Einnahme von BtM§14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeVX0
–       Missbräuchliche Einnahme von BtM stattgefunden hat§14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 FeVX0
–       Widerrechtlicher Besitz von BtM§14 Abs. 1 Satz 2 FeVx0
MPU kann angeordnet werden, §14 Abs. 1 FeV0X
–       wenn gelegentliche Einnahme 
(das gleicht einem Bedarfskonsumenten) vorliegen und WEITERE TATSACHEN Eignungszweifel begründen
§14 Abs. 1 Satz 3 FeV0x
–       wenn Fahrerlaubnis durch einen Grund von Abs. 1 entzogen wurde§14 Abs. 2 Nr. 1 FeV0x
–       wenn Klärungsbedarf, ob Abhängigkeit vorliegt§14 Abs. 2 Nr. 2 FeV0x
–       wenn wiederholt Zuwiderhandlungen begangen wurden§14 Abs. 2 Nr. 3 FeV0x
  • Zum Weiterlesen über Kompensations-Kriterien LESE HIER! (Begutachtungs-Leitlinie)
https://www.bast.de/BASt_2017/DE/Verkehrssicherheit/Fachthemen/U1-BLL/Begutachtungsleitlinien.pdf?__blob=publicationFile&v=20
  • Ein weiterer wichtiger Begriff ist „Compliance“ / Adhärenz. Was das bedeutet findet ihr HIER!
https://www.dgvp-verkehrspsychologie.de/wp-content/uploads/2018/08/Handlungsempfehlung-_Cannabismedikation_v2_Stand-15.08.2018.pdf